Erdbebengefährdungskarten für Rumänien und Bulgarien auf Basis der Anforderungen des EUROCODE 8
Land / Region: Rumänien, Bulgarien
Projektanfang: 01.07.2004
Projektende: 31.12.2005
Projektstand: 31.12.2005
Im Zuge der Harmonisierung europäischer Normen wird in den kommenden Jahren auch eine neue Erdbebenbaunorm - der sogenannte EUROCODE 8 - verpflichtend für alle Mitgliedstaaten eingeführt. Zur Anwendung dieser Norm in Bulgarien und Rumänien, als neue Mitglieder der EU (seit 2007), sind aktuelle seismische Gefährdungskarten als Grundlage zur Ermittlung der seismischen Lasten für Bauwerke zu erstellen. Der EUROCODE 8 verlangt die Angabe eines einheitlichen Gefährdungsparameters, wie z.B. die makroseismische Intensität. Es sind zwei verschiedene Auslegungsfälle für Gebäude vorgesehen, für die jeweils eine Erdbebengefährdungskarte benötigt wird. Beim Nachweis der Tragfähigkeit ist sicherzustellen, dass das Gebäude einem Erdbeben mit einer mittleren Wiederkehrperiode von 475 Jahren (entsprechend einer Überschreitenswahrscheinlichkeit von 10 % in 50 Jahren) ohne Totalversagen widersteht. Oberstes Ziel ist dabei der Schutz von Menschenleben. Beim zweiten Auslegungsfall (Nachweis der Gebrauchstauglichkeit) gegen kleinere Erdbeben, welche im Mittel alle 95 Jahre eintreten (entsprechend 10 % in 10 Jahren), soll sichergestellt werden, dass das Gebäude keine größeren Schäden davonträgt und damit der finanzielle Schaden begrenzt wird. Solche Gefährdungskarten wurden von der BGR in Zusammenarbeit mit Seismologen der nationalen Institute der jeweiligen Länder erstellt .
Abb. 1: Erdbebenepizentren (als Stärke ist die Epizentralintensität dargestellt) und seismotektonische Zonen
Quelle: BGR
Die Berechnung der seismischen Gefährdungskarten erfolgte auf Basis der international häufig angewendeten Methode von Cornell. Als Datengrundlage wurden die Erdbebenkataloge für Südosteuropa (342 v.Chr. - 1990; Shebalin et al. 1998), sowie für Bulgarien (1981 - 1990; Solakov & Simeonova 1993) und Griechenland (550 BC - 1999; Papazachos et al. 2000) verwendet. Eine zeitlich sehr aufwändige Arbeit war das Zusammenstellen eines einheitlichen Erdbebenkataloges.
Zur Berechnung der Erdbebengefährdung sind seismische Quellregionen zu definieren. Innerhalb jeder dieser Quellregionen wird eine homogene Seismizität angenommen. Abb. 1 zeigt die Epizentren der Erdbeben und die von uns gewählte Einteilung in Erdbebenzonen, basierend auf Seismizität, Neotektonik und geologischer Entwicklung. Vor- und Nachbeben wurden aus dem Katalog entfernt, um statistisch unabhängige Erdbebenereignisse zu erhalten. Anschließend wurde für jede seismische Quellregion eine Intensitäts-Häufigkeitsverteilung der Erdbeben berechnet. Die Schütterwirkung an einem Standort ergibt sich aus einer Intensitäts-Abnahmefunktion. Mit den statistischen Parametern der jeweiligen Regionen und der Intensitäts-Abnahmefunktion wurde schließlich für ein dichtes Raster die Erdbebengefährdung für jeden Punkt berechnet. Dazu wird der Beitrag jeder Quellregion am Standort zu einer jährlichen Überschreitenswahrscheinlichkeit der Erdbeben aufsummiert.
Die Region mit den stärksten Erdbeben und auch mit der höchsten seismischen Gefährdung in Bulgarien ist die Region Kresna südlich der Hauptstadt Sofia. In Rumänien geht der überwiegende Anteil der Erdbebengefährdung von der Region Vrancea nördlich von Bukarest aus. In dieser Region entstehen Erdbeben in Tiefen von 60 - 180 km, welche an der Erdoberfläche sehr ungleichförmige Erschütterungen verursachen.
Abb. 2: Makroseismische Karte des Erdbebens vom 4 März 1977 (Radu and Polonic, 1982) mit einer Epizentralintensität von VIII-IX MSK und einer Herdtiefe von 94 km.
Quelle: BGR
Abb. 2 zeigt die makroseismische Karte des Vranceabebens von 1977 (1.560 Tote, über 11.000 Verletzte), von dem Bukarest schwer getroffen wurde (32 kollabierte Hochhäuser). Im Gegensatz zu diesen mitteltiefen Vranceabeben haben die Krustenbeben nur eine Herdtiefe von bis zu 60 km und zeigen einigermaßen kreisförmige Isoseisten. Um die irreguläre Erschütterungsausbreitung der Vranceabeben realistisch zu erfassen, wurde ein neuer Ansatz entwickelt. Dazu wurden detaillierte makroseismische Karten (eine davon in Abb. 2) von drei mitteltiefen Beben verwendet, um die Intensitäts-Abnahmefunktion mit einem zusätzlichen Parameter so zu modifizieren, dass die Erschütterungsabnahme für jeden betrachteten Rasterpunkt den realen Bedingungen entspricht. Für die Krustenbeben und die mitteltiefen Beben der Vrancea Region wurden zunächst separate Gefährdungskarten berechnet, die anschließend zu einer Karte zusammengefügt wurden. Die kombinierten Erdbebengefährdungskarten für die mittleren Wiederkehrperioden von 475 Jahren und 95 Jahren (gemäß EUROCODE 8) für beide Länder zeigen Abb. 3 bis Abb. 6. Die Erdbebengefährdungskurven für die Hauptstädte Bukarest und Sofia zeigen Abb. 7 und Abb. 8. Die Gefährdungskarten sowie deren Berechnungsgrundlagen und Methoden sind für Rumänien in (1) und für Bulgarien in (2) veröffentlicht worden.
Abb. 3: Seismische Gefährdungskarte für Rumänien für eine mittlere Wiederkehrperiode von 95 Jahren (bzw. einer Überschreitenswahrscheinlichkeit von 10% in 10 Jahren)
Quelle: BGR
Abb. 4: Seismische Gefährdungskarte für Rumänien für eine mittlere Wiederkehrperiode von 475 Jahren (bzw. einer Überschreitenswahrscheinlichkeit von 10% in 50 Jahren).
Quelle: BGR
Abb. 5: Seismische Gefährdungskarte für Bulgarien für eine mittlere Wiederkehrperiode von 95 Jahren (bzw. einer Überschreitenswahrscheinlichkeit von 10% in 10 Jahren).
Quelle: BGR
Abb. 6: Seismische Gefährdungskarte für Bulgarien für eine mittlere Wiederkehrperiode von 475 Jahren (bzw. einer Überschreitenswahrscheinlichkeit von 10% in 50 Jahren).
Quelle: BGR
Abb. 7: Seismische Gefährdungskurve für Bukarest. Dargestellt ist die Intensität (MSK bzw. EMS) in Abhängigkeit von der jährlichen Überschreitenswahrscheinlichkeit.
Quelle: BGR
Abb. 8: Seismische Gefährdungskurve für Sofia. Dargestellt ist die Intensität (MSK bzw. EMS) in Abhängigkeit von der jährlichen Überschreitenswahrscheinlichkeit.
Quelle: BGR
Literatur:
(1) Ardeleanu, L., Leydecker, G., Bonjer, K.-P., Busche, H., Kaiser, D. & Schmitt T. (2005): Probabilistic seismic hazard map for Romania as a basis for a new building code. -- Natural Hazards and Earth System Sciences, 5, 679-684, 2005, 10 fig., 1 tab., SRef-ID: 1684-9981/nhess/2005-5-679, European Geosciences Union.
(2) Simeonova, S., Solakov, D., Leydecker, G., Busche, H., Schmitt, T. & D. Kaiser (2006): Probabilistic seismic hazard map for Bulgaria as a basis for a new building code. -- Natural Hazards and Earth System Sciences, 6, 881 - 887, 7 fig., 1 tab; http://www.nat-hazards-earth-syst-sci.net/6/881/2006/
Partner:
- Rumänien: National Institute of Research and Development for Earth Physics (NIEP)
- Bulgarien: Bulgarian Academy of Sciences, Geophysical Institute, Seismological Department